31.08.24 – 31.10.24
Aline Zeltner
Heute ist ein guter Tag für einen Ausflug
Text: Niels ten Brink Click here
Fragen: Isabel Zürcher
Photo: Claude Gasser
Für Aline Zeltner ist klar, dass nichts klar ist – dies schließt ein, dass es für ihr Werk eigentlich keinen erklärenden Text geben kann: „Mich interessiert, was zwischen Unklarheit und Klarheit passiert, also in dem Moment, in dem noch alles möglich ist und nicht das Eine.“ Aber: Es ist ja ein guter Tag für einen Ausflug, wir wollen uns auf eine Reise begeben und die Welt der Künstlerin betreten.
Ein wenig unbeholfen und ahnungslos steht der Betrachter also vor der Glasfront, der Blick ins Innere ist wie durch dichten Nebel verschleiert. Nur über unserer Augenhöhe, im oberen Teil des großen Fensters, gewährt die Künstlerin einen direkten Einblick. Hüpfend oder auf Zehenspitzen tänzelnd erhaschen wir einen Einblick und werden so performativ ein Teil der Ausstellung.
Aus dem Inneren sind zaghafte Töne zu hören. Ein Walzer, am Klavier gespielt? Täuschen wir uns? Von außen, vor dem Fenster, erblicken wir nichts Konkretes, allenfalls einige Schemen unmittelbar am Fenster, unmöglich indes, sie eindeutig zu identifizieren. Unsere Sinne, das Sehen und Hören, bleiben unscharf, diffus, beschränkt, abgeschirmt durch das Fenster. Zugleich lässt unsere Konzentration und Fokussierung auf die Entschlüsselung des rätselhaften Innenraumes unsere unmittelbare, reale, konkrete Umwelt in den Hintergrund treten, vernebelt und verschleiert deren Wahrnehmung.
Aline Zeltners Installation spielt mit unseren Erwartungen, dem zutiefst menschlichen Forscherdrang, dem Willen, unsere Umwelt wahrzunehmen, zu begreifen, fassbar zu machen. Und doch, trotz des Betretens, des uns Annäherns an die Innenwelt der Installation, bleibt das Mysterium, das Rätsel.
So verlassen wir also die Ausstellung, treten hinaus in die Welt und es bleibt in unserer Erinnerung all das zurück, was wir vorher mit unseren Augen und Ohren, mit all unseren Sinnen erfahren haben. Bereits aber schwindet auch hier schon wieder die Klarheit des Blicks, wird überlagert von neuen Eindrücken. Der Ausflug zu Aline Zeltner ist einer in die Welt unserer eigenen Wahrnehmung, ganz nach dem Geschmack des Philosophen John Locke, denn: „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war.“
Niels ten Brink
Fragen an Aline Zeltner (Isabel Zürcher)
Gibt es Dinge, die du nur oder vor allem aus deiner Arbeit lernst?
Das unbekannte im Alltag.
Kennst du Glücksmomente beim Arbeiten? Und wenn ja: worin besteht das Glück?
Ja, wenn plötzlich etwas auf mehreren Ebenen funktioniert.
Was oder wen braucht deine Kunst am meisten?
Den Alltag
Hat dein Schaffen mit Politik zu tun? Mit Poesie? Mit beidem?
Mit beidem, klar!
Was sind für dich Kriterien des Erfolgs?
Immer neue Projekte realisieren und zeigen zu können und im Kopf frei zu bleiben für neue Erkenntnisse, Zusammenhänge und Ideen.
Was kann Kunstkritik (im besten Fall)?
Fragen.
Wenn dich Kunst (von anderen Künstler/innen) aufweckt, verstört, erschüttert, begeistert:
Was kann ein Auslöser sein?
Unerwartete, schräge Kombinationen von Farben, Formen, Aussagen, Menschen und Klängen die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben, aber auf längere Dauer nachhallen und bleiben.
To Aline Zeltner, it is obvious that nothing is obvious - this includes the fact that there can actually be no explanatory text for her work: ‘I am interested in what happens between ambiguity and clarity, in the moment when everything is still possible and not the one thing.’ But: it's a good day for an outing, so we want to go on a journey to explore the artist's world.
We as viewers stand somewhat awkwardly and unsuspectingly at the large window front, the view of the inside obscured as if by thick fog. Only above our eye level, in the upper part of the large glass pane, does the artist offer us with a chance for a direct view of the inside. Jumping or dancing on tiptoe, we catch glimpses and thus become a performative part of the exhibition.
Tentative sounds can be heard from inside. A waltz played on the piano? Are we mistaken? From the outside, in front of the window, we see nothing concrete, a few silhouettes right next to the window at most, but they remain impossible to identify. Our senses, our sight and hearing remain blurred, diffuse, limited, shielded by the window. At the same time, our concentration and focus on deciphering the enigmatic interior space allows our immediate surroundings to fade into the background, obscuring and veiling their perception.
Aline Zeltner's installation plays with our expectations, the deeply human urge to explore, the will to perceive our environment, to understand it, to make it tangible. And yet, despite entering and approaching the inner world of the installation, the mystery, the enigma remains.
So we leave the exhibition, step out into the world and all that we have previously experienced with our eyes and ears, with all our senses, remains in our memory. But even here the clarity of vision is already fading again, overshadowed by new impressions. The excursion into Aline Zeltner’s world is one into the world of our own perception – as John Locke put it: ‘Nothing exists in the mind that previously was not in the senses.’
Niels ten Brink